Das Bergmusikkorps Saxonia Freiberg hat sich im Jahr 1995 einer etwas in Vergessenheit geratenen Tradition angenommen – dem Musizieren auf Russischen Hörnern.
Russische Hörner in Freiberg:
Der Ursprung dieser Hörner liegt tatsächlich in Russland. Nachweislich wurden im 18. Jahrhundert am Sankt Petersburger Zarenhof solche Hörnerkorps aufgestellt und eigens dafür Musikstücke komponiert. Von Russland aus wurden die Hörner auch in Sachsen bekannt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bereisten russische Hörnerkorps Deutschland. Möglicherweise hat der damalige Freiberger Stadtkantor und Leiter des Freiberger Bergmusikkorps, August Ferdinand Anacker (1790 bis 1854), eine solche Aufführung miterlebt und sich dann für die Gründung eines Hörner-Korps in Freiberg eingesetzt. Der Freiberger Berghauptmann von Herder ließ 1825 Russische Hörner für das von ihm neu organisierte Bergmusikkorps beschaffen. A. F. Anacker komponierte bzw. arrangierte eine Reihe von Märschen für das neue Russisch-Horn-Ensemble. In Anackers 1832 komponiertem Singspiel „Der Bergmannsgruß“ waren 13 solcher Hörner eingesetzt. Um die Jahrhundertwende geriet diese Musizierweise jedoch wieder etwas in Vergessenheit. Zur 750-Jahrfeier Freibergs im Jahr 1938, wurden Russische Hörner in Freiberg nachweislich gespielt. Noch heute gehören die historischen Instrumente zum Sammlungsbestand des Freiberger Stadt- und Bergbaumuseums.
Das Bergmusikkorps Saxonia hat sich nach den Vorbildern des Museums eine Reihe solcher Instrumente Anfang der 1990er Jahre nachfertigen lassen. Es gelang, Fördermittel und Sponsoren für dieses Projekt zu finden. Neben der Beschaffung der Hörner konnten auch die noch vorhandenen Originalnoten aus dem Freiberger und Brand-Erbisdorfer Museum gesichtet und für das in Gründung befindliche Russisch-Horn-Ensemble aufbereitet werden. In dem noch jungen Instrumentenbaumeister Ricco Kühn aus Oederan fand man einen Fachmann, der sich für die anspruchsvolle Aufgabe begeistern ließ und der mit den heutigen Kenntnissen und Arbeitsmitteln die Instrumente berechnete und anfertigte. Mit den bisher hergestellten 19 Hörnern (Es – g1) und dem sich daraus ergebenden Tonumfang von über 2 Oktaven ist das Ensemble in der Lage, die vorhandene Originalliteratur sowie neu arrangierte Musikstücke zu spielen. Zum damaligen Repertoire gehörten neben einer Vielzahl von Chorälen und Begräbnismusiken auch die bereits erwähnten Märsche sowie Lieder, Tänze und selbst kleine Stücke aus Mozarts „Zauberflöte“. Die Premiere der neuen Russischen Hörner fand am Abend des 22. August 1995 statt. Anlass war das 2. Knappentreffen der Historischen Freiberger Berg- und Hüttenknappschaft auf dem Gelände der Grube „Alte Elisabeth“. Zum Bergmännischen Zapfenstreich erklangen im Schein der Fackeln Choräle wie „Walle stets o Christ auf Erden“, „Harre des Herrn“ und Märsche von A. F. Anacker. Weitere Höhepunkte waren die Mitwirkung bei der Aufführung des „Bergmannsgrußes“ in der Inszenierung von Andreas Schwinger im Juni 1996 auf dem Freiberger Buttermarkt, bei der mehrfachen Aufführung des Freiberger Bergmännischen Zapfenstreichs zu Beginn der 2000er Jahre sowie der Auftritt beim Jubiläumskonzert 2006 in der Freiberger Nikolaikirche.
Als größtes seiner Art erhielt das Russisch-Horn-Ensemble des Bergmusikkorps Saxonia Freiberg im Oktober 1997 einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde.
Heute spielen die Russischen Hörner im Auftrittsgeschehen des Bergmusikkorps keine Rolle mehr. Zu umfangreich ist der Auftritts- und Probenplan des Orchesters. Zudem sind nur wenige Musiker von der antiquierten Spielweise und den eingeschränkten musikalischen Möglichkeiten zu begeistern. Dennoch möchte der Verein das historische Erbe bewahren. Die Hörner wurden im Jahr 2019 daher ertüchtigt und spielfähig erhalten. Es wurden Tonaufnahmen eingespielt und gegenwärtig wird eine CD mit der historischen Literatur produziert. Damit möchte der Verein dieses Erbe dokumentieren und demnächst der breiten Öffentlichkeit hörbar machen.